Im deutschen Grundstücksrecht hat das Grundbuch eine ganz zentrale Bedeutung. Das liegt vor allem daran, dass eine Eintragung im Grundbuch im Rahmen des Erwerbs eines Grundstücks oder im Zusammenhang mit Rechten an einem Grundstück gemäß § 873 BGB konstitutiv ist. Das bedeutet rechtsbegründend oder salopp gesagt: ohne Eintragung kein Recht.

Vollumfängliche Rechtssicherheit

In der Tat bietet das Grundbuch vollumfängliche Rechtssicherheit für alle Beteiligten. In den §§ 891, 892 BGB heißt es nämlich: „Die Richtigkeit des Grundbuchinhalts wird gesetzlich vermutet“. Das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Vollständigkeit und Richtigkeit des Grundbuchs ist somit geschützt. Damit der Vertrauensschutz im Grundstücksrecht im realen Leben auch wirklich umgesetzt werden kann, hat der Gesetzgeber die Einsichtnahme ins Grundbuch und auch in die Grundakten vorgesehen. Allerdings steht eine solche Einsichtnahme nicht jedem vorbehaltlos zu. Auch dies wird wiederum gesetzlich reguliert, und zwar unter dem Begriff „formelle Publizität“. Damit soll dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, das in Art. 2 Abs. 1 GG verankert ist, Rechnung getragen werden. Doch soll auch der im Grundbuch Eingetragene vor missbräuchlichen Einsichtnahmen Unbefugter geschützt werden, da dies seine Rechte verletzen könnte. Genau dafür wurde der Grundsatz der formellen Publizität ins Leben gerufen.

Einsichtnahme ins Grundbuch nur bei berechtigtem Interesse

§ 12 GBO schreibt deshalb vor, dass die Antragstellung auf Einsichtnahme beim Grundbuchamt ein berechtigtes Interesse voraussetzen muss. Aber was genau ist nun wieder darunter zu verstehen?

Was ist ein berechtigtes Interesse?

Nein, diesen Begriff hat der Gesetzgeber nicht eindeutig definiert. Vielleicht war ihm von Anfang an klar, dass man diese Situation stets einzelfallbezogen entscheiden sollte.

Ein berechtigtes Interesse liegt auf jeden Fall immer dann vor, wenn der Antragsteller bereits Eigentümer eines Grundstücks ist oder eben Rechte an dem Grundstück innehat. Dabei ist es sogar unerheblich, ob seine Rechtsinhaberschaft in dem jeweiligen Grundbuch eingetragen ist.

Wenn der Antragsteller weder Inhaber eines Grundstücksrechts noch Grundstückseigentümer ist, muss das eventuelle Vorliegen des berechtigten Interesses durch das Grundbuchamt geprüft werden. Dafür gibt es folgende Kriterien:
Das vorgebrachte Interesse muss als verständiges Interesse, das durch die Rechts- oder Sachlage gerechtfertigt ist, gewertet werden können. Dabei soll das Grundbuchamt zu der Überzeugung gelangen, dass ausgeschlossen werden kann, dass der Antragsteller unbefugte Zwecke wie zum Beispiel reine Neugier verfolgt.
Das bedeutet aber auch, dass das Interesse nicht unbedingt rein rechtlicher Natur sein muss. Normalerweise ist es schon so, dass die Anträge auf Einsichtnahme in den Inhalt des Grundbuchs auf rechtliches Handeln abzielen, aber das Interesse an einer Grundbucheinsicht kann durchaus auch rein wirtschaftlicher beziehungsweise tatsächlicher Natur sein.

Die Grenzen des hinreichend begründeten und berechtigten Interesses wirtschaftlicher, rechtlicher oder tatsächlicher Art liegen somit in erster Linie in den Informationen, die absolut keinen Zusammenhang mit den Inhalten der Grundbucheintragung haben (müssen). Das vorgetragene Interesse des Antragstellers muss also immer mit dem verbrieften Recht auf informationelle Selbstbestimmung desjenigen, der im Grundbuch eingetragen ist, abgewogen werden. Dies erfordert vom Grundsatz her stets eine Einzelfallprüfung, die mit einer Ermessensentscheidung des Grundbuchamtes einhergeht.

Nachweis des berechtigten Interesses

Damit der Antragsteller sein berechtigtes Interesse „darlegen“ kann, fordert der Gesetzgeber einen nachvollziehbaren Vortrag begründeter Tatsachen. Eine bloße Behauptung aufzustellen, ein berechtigtes Interesse zu haben, ist nicht ausreichend. Von einer solchen Darlegungspflicht befreit sind gem. § 43, Abs. 2 GBV:
  • Öffentliche Behörden des Inlandes
  • Notare und deren Mitarbeiter
  • Rechtsanwälte
Letztere müssen aber in einem nachweisbaren Auftrag eines Notars tätig sein.

Grundbucheinsicht durch einen Notar

Notare sind gemäß § 133a GBO gesetzlich dazu ermächtigt, für ihre Mandanten Einsicht ins Grundbuch nehmen zu dürfen. Ihre Befreiung von der Darlegungspflicht eines berechtigten Interesses gilt sogar unabhängig davon, ob die jeweiligen Mandanten ein berechtigtes Interesse nachweisen können. Anders ausgedrückt: Der Notar ist gehalten, sich selbst vom Vorliegen des berechtigten Interesses des Mandanten zu vergewissern. Die damit verbundene Prüfung erfolgt, wie auch beim Grundbuchamt, über eine Ermessensentscheidung. Wenn der Notar dann das berechtigte Interesse seines Mandanten bestätigt und von diesem eine Vollmacht erteilt bekommen hat, kann er direkt Einsicht ins Grundbuch nehmen.

Einzelfallprüfungen - eine Übersicht

Mit der folgenden Tabelle wird der Versuch gemacht, dem Leser eine gewisse Übersicht darüber zu gewähren, unter welchen Bedingungen eine Einsicht ins Grundbuch für welche Antragsteller auf Einsichtnahme in der Regel gewährt wird:
Interessent / Einzelfall Bedingung beziehungsweise Reichweite des Interesses
Aktionär Gemäß der §§ 118 und 119 AktG Beschränkung auf die im Grundbuch eingetragenen Grundstücke der Aktiengesellschaft
Alteigentümer Nur im Falle von Rückübertragungsansprüchen
Anfechtungsberechtigter Es muss ein rechtskräftiger Duldungstitel vorgelegt werden.
Auskunftei Das berechtigte Interesse ergibt sich stets aus dem jeweiligen Auftraggeber.
Bauhandwerker Es muss eine Sicherungshypothek am Grundstück des Bestellers im Zusammenhang mit der Absicherung der Forderung vorliegen.
Betreuer Gemeint sind hier zum Beispiel Aufenthaltsbestimmungsrecht, Vermögenssorge oder Einwilligungsvorbehalte.
Bevollmächtigter Nur sofern ein berechtigtes Interesse des Vollmachtgebers vorliegt
Darlehensgläubiger Wenn einem Eigentümer ein Kredit gewährt wurde oder eine Kreditgewährung zumindest glaubhaft beabsichtigt ist.
Ehegatten Dies erfordert einen konkreten Anlass wie die Verfügung über Vermögen, entweder im Ganzen oder im Rahmen der Berechnung eines Zugewinnausgleichs. Bei eingetragenen Gütergemeinschaften kommt dies immer wieder vor, aber eben nicht bei Gütertrennung.
Erbbauberechtigte Gemäß der §§ 27 und 28 ErbbauRG gehören auch deren Gläubiger dazu.
Erben Voraussetzung ist in jedem Fall der Erbschein, und zwar auch im Rahmen der Testamentsvollstreckung. Zu Lebzeiten des Eigentümers geht hier gar nichts.
Gläubiger Nicht unbedingt erforderlich ist hierbei ein Nachweis über den erstrittenen Vollstreckungstitel, aber die bestehende Forderung muss hinreichend dargelegt werden.
Geldinstitute wie Banken Eine fällige Forderung ist hinreichend darzulegen. Allein ein pauschaler Hinweis auf die vorherige Gewährung eines Kredits reicht nicht aus. Hat die Institution den Charakter einer Behörde greift die Darlegungsbefreiung.
Gerichte Sogar für Gerichte ist die Einsichtnahme ins Grundbuch eingeschränkt, dies betrifft insbesondere die Grundakten.
GmbH-Gesellschafter Beschränkung auf die im Grundbuch eingetragenen Grundstücke der GmbH
Insolvenzverwaltungen Vorlage des Bestellungsbeschlusses (oder einer beglaubigten Kopie), der ausweist, dass das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Schuldners auf den Insolvenzverwalter übertragen wurde.
(angehende) Käufer Sobald die Vertragsverhandlungen begonnen haben
Makler Bei Vorlage des Maklervertrages oder mittels eines schlüssigen Sachvortrags: - Zur Ermittlung des Kaufpreises einer Immobilie, um die eigene Provision festlegen zu können. - Prüfung, ob die eigene Maklertätigkeit zu einem Abschluss eines Kaufvertrages geführt hat.
Mieter Beschränkung auf die Ermittlung der Grundlage eines Mieterhöhungsverlangens oder auf Kündigungen wegen Eigenbedarfs. Im Falle einer Zwangsversteigerung möchten viele Mieter ihr Risiko abschätzen, das mit einer vorzeitigen Kündigung des Mietvertrages verbunden ist. Auch Mietinteressenten können Einsicht nehmen, um festzustellen, ob der Vermieter tatsächlich der Eigentümer ist.
Nachbarn Ausschließlich in den Abteilungen I und II zur Klärung der Wegbenutzung bei Anliegerwegen. Mit Blick auf nachbarrechtliche Ansprüche können Immissionen, Notwege, Überbau sowie Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche angeführt werden.
Pflichtteilberechtigte Der Erbschein beziehungsweise ein europäisches Nachlasszeugnis ist nicht erforderlich, aber es wird die Qualität der Pflichtteilberechtigung zum Beispiel über die Geburts- oder Heiratsurkunde überprüft. Gleiches gilt für die Gläubiger eines Pflichtteilberechtigten.
Pressevertreter In diesem Fall hat das Grundbuchamt zwischen der Pressefreiheit gemäß Art. 5 GG und dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des im Grundbuch Eingetragenen abzuwägen. Wenn es um einen Sachverhalt geht, der die Öffentlichkeit betrifft, wobei die Aufbereitung sachbezogen und ernsthaft erfolgt, wird das schutzwürdige Interesse des Eingetragenen hinter das öffentliche Informationsinteresse gestellt. Dabei erstreckt sich das Einsichtsrecht auf das gesamte Grundbuch einschließlich der Grundakte.
Rechtsanwalt Vorliegen der Befreiung von der Darlegungspflicht gemäß § 43 Abs. 2 GBV. Ansonsten wird das berechtigte Interesse von dem jeweiligen Mandanten abgeleitet. Zur Darlegung reicht die anwaltliche Versicherung aus.
Schadenersatzberechtigte Bei Ermittlung der Zugriffsmöglichkeiten auf Vermögenswerte eines Schädigers, aber nicht zur reinen Informationsbeschaffung, um Ansprüche gegen Dritte durchsetzen zu können, die keine Rechte am Grundstück haben.
Vereinsmitglieder Hier gilt das Gleiche wie bei den Aktionären.
Vermächtnisnehmer Allein bezogen auf die vermachte Immobilie prüft das Grundbuchamt vor allem, ob eine nachträgliche Vermächtnisaufhebung vorliegt.
Verkäufer Nur bei Restitutionsansprüchen
Vermessungsingenieure Diese sind von der Darlegungspflicht gemäß § 43 II GBV befreit.
Versicherungsunternehmen Die Grundlage bildet hier gemäß § 95 VVG die Vertragsübernahme durch einen Erwerber der Immobilie.
Verwandte Die Geltendmachung von Unterhalts- oder Pflichtteilsansprüchen kann hierbei zum Beispiel eine Begründung sein.
Wohnungseigentümer Die WEG-Verwaltung hat Einsichtsrecht im Rahmen der Prüfung der wirtschaftlichen Solidität von Wohnungseigentümern und des Einzugs von Beitragsrückständen. Einzelne Wohnungseigentümer haben das Recht auf Einsicht zur Ermittlung des Namens eines anderen Wohnungseigentümers. Dies gilt auch bei anteiligen Sondernutzungsrechten, allerdings nur in Abteilung I. Gemäß § 12 WEG zur Einholung einer Zustimmung, wenn es um die Veräußerung von Wohnungseigentum geht. Gemäß § 29 WEG zur Prüfung der Verwaltungsbeiratseigenschaft. Bei Klageerhebung zur Anfechtung eines Beschlusses. Im Falle von Schadensersatzansprüchen unter den Wohnungseigentümern. Geltendmachung von Gesamtbelastungen, allerdings nur in den Abteilungem II und III. Bei der Restfertigstellung einer „steckengebliebenen“ Wohnungseigentumsanlage. Für Wohnungseigentümer besteht Einsichtsrecht in die Aufteilungspläne sowie in die Gemeinschaftsordnung.
Zessionare Nur für den Fall, dass die Eigenschaft des Zessionars außerhalb des Grundbuchs erworben worden ist.

Wie funktioniert die Einsichtnahme ins Grundbuch konkret?

Die Grundbucheinsicht wird entweder schriftlich oder im Grundbuchamt auch mündlich beantragt, wobei immer der Personalausweis oder Reisepass vorzulegen ist. Das zuständige Grundbuchamt befindet sich stets in jenem Amtsgericht, in dessen Bezirk auch das Grundstück liegt, um das es gerade geht.

Jeder Antragsteller braucht mindestens ein Dokument, das das besagte berechtigte Interesse erkennen lässt. Die obige Tabelle gibt dazu nähere Auskünfte. Darüber hinaus wird die vollständige offizielle Adresse des Grundstücks benötigt. Hilfreich sind hierbei Angaben über den Grundbuchbezirk sowie die Grundbuchblattnummer.

Die Einsichtnahme ins Grundbuch ist kostenlos. Wer aber eine Abschrift des Grundbuchs braucht, in der Regel sogar mehrfach, bezahlt dafür 10 Euro. Soll der Abzug auch beglaubigt sein, kassiert das Grundbuchamt eine Gebühr in Höhe von 20 Euro.

Inzwischen hat die Digitalisierung in den deutschen Grundbuchämtern Einzug gehalten. Das bringt nun den Vorteil mit sich, dass die Einsicht via Online-Grundbuchauskunft erfolgen kann, vorausgesetzt, es können die entsprechenden Nachweise über ein berechtigtes Interesse vorgelegt werden. Noch ist es aber so, dass sich das Prozedere bei persönlicher Vorsprache und Erklärung vor Ort oftmals unkomplizierter gestaltet.